Leserinnenbrief zu Gottfried Neukam, Januar 2024:
Als ehemalige Kollegin an der benachbarten Siegmund-Loewe-Schule gratuliere ich der Mittelschule zu ihrem Neubau und dem pädagogischen Konzept, das sie zur modernsten Schule in ganz Oberfranken machen wird. Jahrelang haben wir in der Schulberatung vertrauensvoll zusammengearbeitet, deshalb freue ich mich sehr über diese neue Mittelschule.
Wäre jetzt nicht der ideale Zeitpunkt gekommen, ihr bei der Einweihung endlich einen neuen Namen zu geben? Man wird ein großes, überregionales Fest mit vielen auswärtigen Ehrengästen feiern. Sie alle werden sich dafür interessieren, wer Gottfried Neukam als Namensgeber dieser berühmten Mittelschule ist. Ich fürchte, es wird zum Skandal kommen, wenn man erfährt, dass Gottfried Neukam als Bewunderer Adolf Hitlers tief in die dunkelste Zeit unserer Geschichte verstrickt ist Er war eben nicht nur ein Mitläufer, denn er hat bereits 1927, also sechs Jahre vor Hitlers Machtergreifung, ein erstes Relief für ihn gestaltet.
Von 1933 bis 1945 war er Mitglied der NSDAP, er nahm mit dem Beitrag “Unser Führer“ an der Gegenausstellung zur „Entarteten Kunst“ teil, erhielt großes Lob für seine Propagandafilme in der Kreiskulturleitung, war zwei Jahre Fördermitglied der SS und wurde 1939 ehrenhalber zum Ratsherrn (heute Stadtrat) ernannt, wegen besonderer Bewährung als einer der besten Nationalsozialisten. Auch weitere Fakten aus seinem Lebenslauf wurden sorgfältig recherchiert und sind dokumentiert im Staatsarchiv Coburg und in Tageszeitungen der damaligen Zeit.
Folgende Frage aber muss gestellt werden: Fällen wir zu leicht ein Urteil über Menschen, die in einer Diktatur überleben mussten? Wissen wir denn, ob nicht auch wir uns, aus Überzeugung, aus Angst oder aus Rücksicht auf unsere Lieben, schuldig gemacht hätten? Den Straßennamen mag Gottfried Neukam deshalb behalten. Aber den Namen einer Schule , diese Ehre verdient er nicht. Und es wäre schlimm, wenn ausgerechnet auf dieser berühmten Modellschule ein brauner Schatten liegt, der natürlich auch das Ansehen der Stadt verdunkelt.
Deswegen hat die Frauenliste, deren überzeugtes Mitglied ich nach wie vor bin, bereits im Mai 2018 den Antrag auf eine Umbenennung gestellt. Der Antrag wurde damals abgelehnt, aber heute ist er aktueller denn je.
Warum nicht einen Zeitgenossen von Gottfried Neukam nehmen, Kronachs bekannten Redakteur, Schriftsteller und Kulturträger Andreas Bauer, den populären „Bauern-Andres“, der sich auch im Widerstand gegen das Hitler-Regime mutig bewährte? Hans Blinzler hat ihm im neuesten Heimatkundlichen Jahrbuch des Landkreises ein bewegendes Denkmal gesetzt.
Besser noch: Vielleicht sucht und findet die Schulfamilie der neuen Mittelschule einen würdigen Namen, der ihr und der Stadt Kronach zur Ehre gereicht.
Ingrid Steinhäußer, Kronach
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