Kronacher Mittelschule – BürgerInnenversammlung 15.10.2024
„Ceterum Censeo … (Carthaginem esse delendam)“ ist ein Ihnen sicher bekannter Ausspruch des römischen Senators Marcus Portius Cato (234 – 149 v. Chr.), den er hartnäckig regelmäßig zum Schluss einer Rede vorbrachte.
In ähnlicher Rolle sehe ich mich heute – wenn auch nur als Kronacher Bürgerin.
Wir haben hier in Kronach
- Die Pestalozzi-Schule
- Die Lucas-Cranach-Grundschule
- Die Siegmund-Loewe-Realschule
- Die Johann-Maximilian-von-Welsch-Realschule
- Das Johann-Kaspar-Zeuß-Gymnasium
- Das Frankenwald-Gymnasium
- Die Lorenz-Kaim-Berufsschule
- (Die Petra-Döring-Schule, hinzugefügt auf Hinweis vom Leiter der Lebenshilfe)
Biographien der ehrenwerten Namensgeber dieser Schulen sind höchst informativ bei z. B.
Wikipedia im Internet abrufbar.
Und wir haben eine Mittelschule – mit einem Neubau und einem innovativen, neuen Konzept.
Warum muten wir den Jugendlichen dieser Mittelschule einen nachgewiesenen Nationalsozialisten als Vorbild zu?
Warum muss diese Schule seinen Namen tragen?
Das haben Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer dieser wichtigen Bildungsstätte nicht verdient.
Nichts ist zu seiner Biographie z. B. bei Wikipedia zu finden.
Einziger Hinweis: Das Kriegerdenkmal für die Gefallenen des 1. Weltkriegs von 1935/36 unterhalb der Festung.
„De mortuis nihil nisi bene dicendum est“, oder
„Lasst doch die alten Zeiten ruhen …“ kann und darf hier nicht gelten.
(… auch wenn mir sogar jüngere Kronacher Stadträte das entgegneten …)
Ich beantrage daher, dass die Stadt Kronach ein Projekt ausruft
– vielleicht in Zusammenarbeit mit einer Arbeitsgruppe der Mittelschule –
und die erschreckende Biografie von Gottfried Neukam (1892 – 1959)
detailliert und ehrlich aufarbeitet und öffentlich zugänglich macht.
Übrigens: Ich habe keinen Facebook-Account und werde deshalb eventuelle Posts nicht lesen.
Ingrid Oswald
Leserinnenbrief zu Gottfried Neukam, Januar 2024:
Als ehemalige Kollegin an der benachbarten Siegmund-Loewe-Schule gratuliere ich der Mittelschule zu ihrem Neubau und dem pädagogischen Konzept, das sie zur modernsten Schule in ganz Oberfranken machen wird. Jahrelang haben wir in der Schulberatung vertrauensvoll zusammengearbeitet, deshalb freue ich mich sehr über diese neue Mittelschule.
Wäre jetzt nicht der ideale Zeitpunkt gekommen, ihr bei der Einweihung endlich einen neuen Namen zu geben? Man wird ein großes, überregionales Fest mit vielen auswärtigen Ehrengästen feiern. Sie alle werden sich dafür interessieren, wer Gottfried Neukam als Namensgeber dieser berühmten Mittelschule ist. Ich fürchte, es wird zum Skandal kommen, wenn man erfährt, dass Gottfried Neukam als Bewunderer Adolf Hitlers tief in die dunkelste Zeit unserer Geschichte verstrickt ist Er war eben nicht nur ein Mitläufer, denn er hat bereits 1927, also sechs Jahre vor Hitlers Machtergreifung, ein erstes Relief für ihn gestaltet.
Von 1933 bis 1945 war er Mitglied der NSDAP, er nahm mit dem Beitrag “Unser Führer“ an der Gegenausstellung zur „Entarteten Kunst“ teil, erhielt großes Lob für seine Propagandafilme in der Kreiskulturleitung, war zwei Jahre Fördermitglied der SS und wurde 1939 ehrenhalber zum Ratsherrn (heute Stadtrat) ernannt, wegen besonderer Bewährung als einer der besten Nationalsozialisten. Auch weitere Fakten aus seinem Lebenslauf wurden sorgfältig recherchiert und sind dokumentiert im Staatsarchiv Coburg und in Tageszeitungen der damaligen Zeit.
Folgende Frage aber muss gestellt werden: Fällen wir zu leicht ein Urteil über Menschen, die in einer Diktatur überleben mussten? Wissen wir denn, ob nicht auch wir uns, aus Überzeugung, aus Angst oder aus Rücksicht auf unsere Lieben, schuldig gemacht hätten? Den Straßennamen mag Gottfried Neukam deshalb behalten. Aber den Namen einer Schule , diese Ehre verdient er nicht. Und es wäre schlimm, wenn ausgerechnet auf dieser berühmten Modellschule ein brauner Schatten liegt, der natürlich auch das Ansehen der Stadt verdunkelt.
Deswegen hat die Frauenliste, deren überzeugtes Mitglied ich nach wie vor bin, bereits im Mai 2018 den Antrag auf eine Umbenennung gestellt. Der Antrag wurde damals abgelehnt, aber heute ist er aktueller denn je.
Warum nicht einen Zeitgenossen von Gottfried Neukam nehmen, Kronachs bekannten Redakteur, Schriftsteller und Kulturträger Andreas Bauer, den populären „Bauern-Andres“, der sich auch im Widerstand gegen das Hitler-Regime mutig bewährte? Hans Blinzler hat ihm im neuesten Heimatkundlichen Jahrbuch des Landkreises ein bewegendes Denkmal gesetzt.
Besser noch: Vielleicht sucht und findet die Schulfamilie der neuen Mittelschule einen würdigen Namen, der ihr und der Stadt Kronach zur Ehre gereicht.
Ingrid Steinhäußer, Kronach
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