Gegen Gewalt an Frauen und Mädchen

Zum Aktionstag am 25. November 2023 trafen sich Frauen – und einige Männer – verschiedener Gruppierungen um 11 Uhr am Platz vor dem Roseneck. Kronaches 1. Bürgermeisterin, Angela Hofmann, Landtagsabgeordnete Rechtsanwältin Sabine Gross und Dekanin Dr. Ulrike Schorn hielten aufrüttelnde Reden. Die Organisation lag bei Lisa Gratzke, Gleichstellungsbeauftragte.

Rede von Angela Hofmann, 1. Bürgermeisterin

Mit großer Sorge blicken wir in diesen Tagen auf die Frauen aus der Ukraine, aus Israel und Gaza. Frauen mit ihren Familien werden terrorisiert, um ihren Widerstand zu brechen und sie zum Aufgeben zu bewegen. Ihre Häuser werden bombardiert, es gibt kein Wasser, nichts zu Essen, kein zu Hause, keinen Schutz und keine Hilfe… nichts!

In den westlichen Demokratien sind zahlreiche Frauen körperlicher oder seelischer Gewalt in der Partnerschaft ausgesetzt. Fast 15.000 Frauen suchen mit ihren Kindern jährlich Schutz in Frauenhäusern – genauso viele Wohnungen fehlen aber auch.

Es wird Gewalt ausgeübt, um den eigenen Willen, die eigene Meinung, die eigenen Ansichten durchzusetzen, ohne das Miteinander im Blick zu haben und ohne Bereitschaft zum Konsens.

Grundlegende Eckpfeiler unseres Lebens sind Frieden in Freiheit und Selbstbestimmung, sind Unversehrtheit an Körper, Seele und Geist, Sicherheit und Geborgenheit in der Gemeinschaft

Es ist gut, dass wir uns in dieser Runde versammelt haben und demonstrieren für Gewaltlosigkeit, für den Schutz von Frauen und Familien, aber auch für Frieden in Freiheit.

Wir können eine ganze Menge tun:

Schauen wir bei Konflikten nicht weg, hinterfragen wir Meinungen und Aussagen auf Plausibilität, schauen wir nicht weg, wenn in der Gruppe / in der Familie Druck ausgeübt wird, wenn Frauen bekämpft und diffamiert werden, wenn Frauen beleidigt und respektlos behandelt werden, setzen wir uns ein für Recht und Ordnung in unserem Land!

Dazu ist es unerlässlich, die Demokratie zu stärken

Dazu ist es unerlässlich, den Alltag nach demokratischen Spielregeln zu gestalten.

Motivieren wir Frauen zu Bildung und Selbständigkeit, zu Leistungsbereitschaft!

Verleihen wir anderen Frauen Selbstwert und innere Stärke!

Die Gemeinschaft hier am Rosenbrunnen verleiht uns allen Kraft und Mut standhaft zu bleiben und macht uns widerstandfähig gegen Verführung und Vereinnahmung!

Und diese Gemeinschaft gibt uns auch Kraft, dass wir Frauen uns im Alltag für Kolleginnen, für Mütter, für Ehefrauen einsetzen.

Rede von Sabine Gross, Landtagsabeordnete

140.000 Frauen und Mädchen werden in Bayern jedes Jahr Opfer von körperlicher oder sexueller Gewalt. Gewalt gegen Frauen nimmt zu. Jeden Tag versucht in Deutschland ein Mann, seine Partnerin oder Ex-Partnerin umzubringen, jeden dritten Tag gelingt es einem Mann.

Gewalt gegen Frauen hat viele Gesichter: Zwangsprostitution, sexueller Missbrauch, Sextourismus, Vergewaltigung, Beschneidung von Frauen, häusliche Gewalt, Zwangsheirat, geschlechtsselektive Abtreibung, Femizid, sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz, Cybermobbing.

Gewalt gegen Frauen und Mädchen stellt die häufigste Menschenrechtsverletzung weltweit dar. Gewalt gegen Frauen hat oft ihren Ursprung in patriarchalischen Gesellschafts- und Machtstrukturen und in der Ungleichbehandlung von Frauen. Das gilt nicht nur innerhalb von Partnerschaft und Familie. Ein gesellschaftliches Umfeld, das unangemessenes Verhalten gegenüber Frauen bagatellisiert oder verharmlost, schafft einen Nährboden für Gewalt und erschwert es Betroffenen, Hilfe zu suchen.

Deutschland hat die sogenannte Istanbul-Konvention, einen völkerrechtlichen Vertrag des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt, bereits im Oktober 2017 ratifiziert und am 01.02.2018 trat sie in Kraft, ist also geltendes Recht. Die Konvention verpflichtet Deutschland auf allen staatlichen Ebenen dazu, Gewalt gegen Frauen zu bekämpfen, Betroffenen Schutz und Unterstützung anzubieten und Gewalt zu verhindern. Die Konvention enthält umfassende Verpflichtungen zur Prävention und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt, zum Schutz der Betroffenen und zur Bestrafung der Täter.

Deutschland muss die Vorgaben der Konvention in seiner Verfassung verankern und umsetzen. Die Istanbul-Konvention definiert Gewalt gegen Frauen und Mädchen als Menschenrechtsverletzung und als Zeichen der Ungleichstellung von Frauen und Männern.

Sie schreibt unter anderem vor, dass alle von Gewalt betroffenen Frauen und ihre Kinder Zugang zu Schutz und Unterstützung haben. Der Zugang muss sicher, schnell, unbürokratisch und bedarfsgerecht sein. Hierzu gibt es in der Istanbul-Konvention auch konkrete Vorschläge: Ein Frauenhausplatz mit zwei Betten je 10.000 Einwohner, umfassende medizinische und psychosoziale Versorgung für Opfer sexualisierter Gewalt, flächendeckende Frauenberatungs- und Interventionsstellen.

Die Realität sieht hierzulande ganz anders aus. Seit Jahren gibt es zu wenig Frauenhäuser, die Frauen und Mädchen Schutz bieten. Bereits 2022 war in einigen Frauenhäusern in Bayern an keinem Tag eine Aufnahme mehr möglich.

Die Frauenhäuser wurden in Bayern trotz riesigen Bedarfs in den letzten Jahren nur um wenige Plätze ausgebaut. In 41 staatlich geförderten Frauenhäusern stehen gerade einmal 389 Plätze für Frauen und 486 Plätze für Kinder zu Verfügung. Bis heute fehlen auch Angebote für Frauen mit jugendlichen Söhnen und für Frauen mit Behinderungen oder psychischen Erkrankungen.

Die Zahl der Plätze in den Frauenhäusern muss unbedingt erhöht werden. Das Netzwerk mit Hilfsangeboten muss verbessert werden. Um von Gewalt betroffenen Frauen auch nach ihrem Aufenthalt in einem Frauenhaus Unterstützung zu geben, ist ein flächendeckendes Netz für Second-Stage-Angebote, also Unterkünfte, in denen Frauen vorübergehend geschützt leben können, notwendig.

Wir haben für die Landkreise Kronach, Lichtenfels und Coburg nur ein einziges Frauenhaus. Das ist in Coburg Träger ist der Verein Keine Gewalt gegen Frauen e. V. Das Coburger Frauenhaus besteht seit 1987. Es hat 5 Plätze. Ein Neubau ist dringend notwendig und auch in Planung, allerdings muss der Verein 10 % der Kosten des Neubaus selbst aufbringen, um eine Förderung zu erhalten. Für den kleinen Verein mit ca. 60 Mitgliedern ist das eine fast unlösbare Aufgabe. Hier muss dringend Abhilfe geschaffen werden.

Die Umsetzung der Istanbul-Konvention ist staatliche Pflichtaufgabe. Der Bund und das Land Bayern müssen endlich ihrer Verpflichtung zum Schutz von Mädchen und Frauen gerecht werden. Notwendig ist mindestens ein Frauenhaus pro Landkreis, ein umfassendes Beratungsangebot und ein landesweites Netz von Second-Stage-Unterkünften. Das ist auch kein Wunsch und keine Bitte, es ist eine Aufforderung an die zuständigen staatlichen Stellen, endlich ihre gesetzliche Pflicht zum Schutz der Bürgerinnen dieses Landes erfüllen.

Kurzansprache von Dekanin Dr. Ulrike Schorn

Zunächst ein herzliches Dankeschön an die Organisatorinnen und alle, die Sie heute hier sind. Dank auch an die Polizei, die die Veranstaltung begleitet.

Mein Computer schlägt mir seit neuestem vor, alles Mögliche bei KI nachzusehen. Wenn man das Stichwort ‚Gewalt gegen Frauen‘ eingibt, kommt folgendes:

„Es ist bedauerlich, dass Frauenfeindlichkeit auch im Jahr 2023 noch ein Problem darstellt. Eine aktuelle Glamour-Artikelserie beschreibt Misogynie als einen der problematischsten Trends des Jahres 2023. Der Artikel beschreibt, wie Frauenfeindlichkeit in verschiedenen Ländern und Kontexten auftritt, wie z.B. durch frauenfeindliche politische Regime, sexistische Fernsehmoderatoren und Alpha-Männchen.

In Deutschland gibt es auch aktuelle Beispiele für Frauenfeindlichkeit. Eine Studie zur Tötung von Frauen in Deutschland zeigt, dass Femizide, also die Tötung von Frauen aufgrund ihres Geschlechts, ein ernstes Problem darstellen. Auch im Bundestag gibt es Anfeindungen gegenüber Frauen und queeren Menschen, die vor allem von rechts kommen.“

Es ist wichtig, dass wir uns alle bewusst sind, dass Frauenfeindlichkeit ein System ist, an dem fast jede:r bewusst oder unbewusst teilnimmt. Schlimm genug, dass Gewalt gegen Frauen als Trend zu bezeichnen ist.

Frauenfeindliches Denken und Handeln ist Alltag in Deutschland. Ursachen für Frauenfeindlichkeit sind auch männliche und weibliche Rollenmuster, die tief in der Gesellschaft verankert sind: Männer sollen hart sein und sich nehmen, was sie wollen, Frauen sollen sexy und verfügbar sein. Diese Rollenmuster führen im Internet und auch sonst zum sog. „Posing“ und zum unbewussten Nachspielen von Rollenmustern

Oft geschieht die Gewalt vollkommen gedankenlos und noch nicht einmal ‚bös gemeint‘: Oberfränkisches Wort des Jahres ist „Meichela“: Muss das sein? Ein „Meichala“ ist a Trutschel, a naives Mädle und nicht etwa, wie die Begründung sagt ‚eine Kopftuchträgerin‘. Wann kommt das männliche Pendant „Depperla“, frage ich.

Aber die Gewalt geschieht auch ganz bewusst: In Liedertexten (Rap, Rammstein, Partyhit Layla)

Über die vielen Formen vor allem körperlicher Gewalt gegen Frauen ist heute schon tiefgründig gesprochen worden (herzlicher Dank an Angela Hofmann und Sabine Gross!).

Ich möchte noch auf etwas eingehen, das auch unter Gewalt gegen Frauen zu fassen ist, und was selbst in der KI-Aussage schon angedeutet wird:

Ich meine die alltägliche psychische Gewalt im Umgang mit Frauen, die sich in leitenden und verantwortungsvollen Positionen befinden. Psychische Gewalt in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.

Frauen werden immer wieder beleidigt, beschimpft und unter Druck gesetzt, von ihren Posten verdrängt oder zum Rücktritt genötigt. Das trifft vor allem Frauen mit Initiative und Kreativität, investigative Frauen, Frauen in einflussreichen Positionen.

Als Theologin frage ich mich: Können es ihre Gegenüber vielleicht nicht ertragen, dass gerade in ihnen das biblische Menschenbild sichtbar wird, dass nämlich auch Frauen Ebenbild Gottes sind?

Die Schöpfungserzählungen der Bibel machen zweierlei deutlich:

Erstens: Männer und Frauen sind gleichermaßen Gottes Ebenbild und

Zweitens: der Mensch als Mann und Frau kann seine Bestimmung nicht anders erfüllen als in gegenseitiger Hilfeleistung und in einem ebenbürtigen Gegenüber.

Unantastbare Würde und gegenseitiges Helfen sind die Wesensbestimmung des Menschen als Mann und Frau. Darin spiegeln sie wider, wer und was Gott ist.

Das ist schon nicht einfach zu verstehen, aber noch schwieriger zu leben.

Gott, der darin eine besondere Beziehung geschaffen hat, ist deshalb in Jesus Christus selbst ein Mensch geworden und damit ein sichtbares Gegenüber.

Im Neuen Testament gibt es einen Abschnitt über die Werke der Barmherzigkeit. Hier wird das mit der Sichtbarkeit Gottes und dem Ebenbild noch deutlicher: „Was ihr getan habt einem eurer Mitmenschen, das habt ihr mir getan,“ sagt Jesus da.

Gute Werke, die getan oder unterlassen werden, die sind an Christus geschehen oder eben nicht geschehen.

Ich denke dies weiter und spitze es zu: Jede Gewalt, die einer Frau angetan wird, wird Jesus Christus angetan und jede Gewalt, vor der eine Frau bewahrt wird, bewahrt Christus.

Das gilt es in jeder Konsequenz aus christlicher Sicht zu bedenken.

Und es heißt umgekehrt für uns:

Schutz und Hilfe und gegenseitiges Ernstnehmen sind um Christi Willen die Maximen unseres Handelns und Denkens. Denn so wird Jesus Christus mitten unter uns sichtbar.

Ich wünsche es uns, dass wir nicht müde werden und das in unseren Herzen tragen.

Und dass wir Christus begegnen in allem, was wir tun mit Worten und in Aktionen (wie heute) und in jeder von uns.