Antrag FL – Namensänderung Gottfried-Neukam-Schule

Antrag der Frauenliste

auf Namensänderung der Gottfried-Neukam-Schule

10.04.2018

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,

hiermit beantrage ich eine angemessene Namensänderung der Gottfried-Neukam-Schule in Kronach.

Begründung:

In Bälde wird in Kronach die notwendige Renovierung der Mittelschule, genannt Gottfried-Neukam-Schule, abgeschlossen sein, eine Tatsache, die Eltern-, Lehrer- und Schülerschaft gleichermaßen Freude bereitet. Und nun ist es auch an der Zeit, ein vor etwa 20 Jahren viel diskutiertes Thema wieder aufzunehmen, nämlich die bestehende Namensgebung dieser vielbesuchten Schule zu ändern.

Der Träger des Namens, Gottfried Neukam, war ein vor Ort hochgeschätzter Künstler. Seine Arbeiten sind vielen in Kronach bekannt und auch Schülerinnen und Schüler sollten darauf hingewiesen werden.

Es darf uns jedoch nicht gleichgültig sein, welche politische Rolle Gottfried Neukam von Beginn des Dritten Reiches an gespielt hat. Sie ist aktenkundig, und damit kann von einem Vorbildcharakter für die Jugend nicht die Rede sein.

In diesem Sinne schlage ich im Namen der Frauenliste eine Änderung der Namensgebung vor. Wir könnten uns durchaus vorstellen, dass der Name des weit über die Landesgrenze hinaus bekannten Kronacher Bildhauers Heinrich Schreiber an Stelle der bisherigen Benennung tritt.

Auch der bekannte Kronacher Musiker und Komponist Max Baumann könnte als Namensgeber genommen werden. Wir können uns auch vorstellen, dass diese Schule einfach „Mittelschule am Kreuzberg“ genannt wird.

Es ist an der Zeit, endlich eine neue und angemessene Veränderung vorzunehmen.

Mit freundlichem Grüßen

Angela E. Degen – Madaus
Stadträtin

Presseerklärung der Frauenliste

27.04.2018

Die Gottfried-Neukam-Mittelschule ist eine bekannte, hervorragend geführte Schule. Im Jahre 1981 hat der damalige Stadtrat dieser Schule einen Namen gegeben, dessen Träger, ungeachtet seiner Leistungen als Heimatkünstler, doch gelinde gesagt, eine unglückliche Karriere im Dritten Reich aufweist. Dies ist für jeden Interessierten nachzulesen, unter anderem im Kronacher Stadtarchiv, im Staatsarchiv Coburg und in den Lokalzeitungen der damaligen Zeit. Neben weiteren zeitgeschichtlichen Fakten seien drei Beispiele genannt:

1. Gottfried Neukam wurde 1939 ehrenhalber zum Ratsherrn ernannt, weil er sich als Nationalsozialist im Dienste Adolf Hitlers in besonderer Weise bewährt hatte. (Kronacher Rundschau 4.11. 1939)

2. Er war – wenn auch mit geringem Betrag – förderndes Mitglied der SS. (Staatsarchiv Coburg)

3. Was er später verschwieg: Auch dank eines Stipendiums aus einer jüdischen Stiftung wurde er zum bekannten Kronacher Künstler. („Volk-Heimat-Dorf“ Ideologie und Wirklichkeit im ländlichen Raum der 1930er und 1940iger Jahre)

Weitere Fakten können nachgelesen werden. So ist es nicht einzusehen, warum gegen eine Namensänderung der Schule ausgeprägter Widerstand in Stadt und Landkreis Kronach besteht. Um auf einen Leserbrief von Herbert Kaiser (Fränkischer Tag, 13.April 2018) zu antworten: Eine solch heftig ausgedrückte frauenfeindliche Beleidigung ist eines ehemaligen Schulleiters unwürdig.

Dass sich Tote nicht wehren können und deshalb unangetastet bleiben müssten, trifft auf Personen des öffentlichen Lebens nicht zu. Sonst dürfte es keine historische Forschung und keine schulischen Geschichtsbücher geben.

So sachlich und frei von Polemik der Antrag der Frauenliste auf Namensänderung der Schule gestellt war, so sollte auch die Antwort zur Namensgebung erfolgen. Dabei muss selbstverständlich auch die betroffene Schule mit Schulleitung, Kollegium, Eltern-und Schülerschaft gehört werden. Die im Antrag genannten Namen (Heinrich Schreiber, Andreas Bauer, Schule am Kreuzberg) sind lediglich Vorschläge der Frauenliste.

Die Meinungsfreiheit ist in Deutschland geschützt und dies ist in einer Demokratie nicht nur eine Selbstverständlichkeit, sondern auch die Voraussetzung dafür, dass unser Rechtsstaat funktioniert.

Angela E. Degen-Madaus
Stadträtin

Kann das Vorbild sein?

Mai 2018

Bericht von Rainer Glissnik

Kronacher Schule trägt Namen des Parteigenossen Neukam

Nachgewiesener „Arier“ ist Namensgeber der Kronacher Mittelschule

Kronach – Die Kronacher „Siegmund-Loewe-Realschule“ und die „Gottfried-Neukam-Mittelschule“ stehen in unmittelbarer Nachbarschaft. Beide Schulen arbeiten sehr erfolgreich und sind auch in der Öffentlichkeit sehr angesehen. Aber bei den Namensgebern könnte der Unterschied nicht größer sein.

Auf der einen Seite trägt die Siegmund-Loewe-Realschule den Namen eines jüdischen Industriellen und Pioniers der Radiotechnik, dessen Firma zum Kriegsende in Kronach hängen blieb und hier eine der wichtigsten Firmen wurde. Allerdings war Siegmund Loewe schon 1938 von den Nazis vertrieben und in die USA emigriert.

Daneben Gottfried Neukam. Offiziell als „Mitläufer“ des NS-Regimes eingestuft. Viele bescheinigen ihm, dass Neukam gar nichts anderes übrig geblieben sei – wollte er nicht untergehen – als sich in unwesentlichen bereichen mit dem System zu arrangieren.

Als Namensträger der Kronacher Mittelschule ist Neukam Vorbild für Schülerinnen und Schüler wie Lehrerinnen und Lehrer. Aufgrund eines Vorstoßes der Kronacher Frauenliste kam – wieder einmal – eine Diskussion ins Rollen, ob die Mittelschule der Geburtsstadt von Lucas Cranach den Namen Gottfried Neukams weiterhin tragen soll. Schließlich steht der „Künstler Gottfried Neukam“ in der Stadt damit gleichrangig mit dem in Kronach geborenen „Lucas Cranach“, dessen Namen die dortige Grundschule trägt.

Die Frauenliste bringt ihren Antrag auf Namensänderung aufgrund von Unterlagen und Dokumenten. Was zeigen diese Unterlagen?

So wird dokumentiert, dass Neukam vom 5. März bis 3. Mai 1946 in politischer Haft in Kronach war. Im Abschlussdokument steht „weitgehend entlastet“. Dokumentiert ist, dass Neukam NSDAP-Mitglied von 1933 bis 1945 war. Als Film- und Funkwart war er auch für die Propaganda in der Region zuständig. Dazu war er Kunstwart. Er war Mitglied der „Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt“ von 1934 bis 1945, Mitglied der „Reichsakademie der bildenden Künste“, der „Deutschen Arbeitsfront“ und von 1934 bis 1938 förderndes Mitglied der Allgemeinen SS. „Ein förderndes Mitglied gehörte der SS an, nahm aber nicht am aktiven Dienst teil sondern unterstützte diese finanziell“, heißt es bei „wikipedia“. „Nur Arier konnten förderndes Mitglied der SS werden“, heißt es hier. Parteiauszeichnungen hatte Gottfried Neukam keine erhalten und laut „Meldebogen auf Grund des Gesetzes zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus vom 5. März 1946“ hatte Neukam keine Vorteile durch seine Mitgliedschaft. Er hatte alles offensichtlich aus Idealismus gemacht.

1939 wurde Neukam mit zwei weiteren Kronachern „durch das Vertrauen der Partei“ – so steht es in einer Zeitung vom 4. November 1939 – zum Ratsherren in Kronach berufen – „nach dem Gruß an den Führer“. „Die drei neuzuberufenden Ratsherren seien Parteigenossen, die schon in der Vergangenheit sich als Nationalsozialisten voll und ganz bewährt haben.“ … „Neukam, der ebenfalls sich jederzeit als Nationalsozialist bewährte“ heißt es in dem Dokument. „Die besten und tüchtigsten, so sprach der Kreisleiter (Dr. Müller), sollen zu diesem Ehrendienst berufen werden.“ „In allen Dingen hätten sie (die neuen Ratsherren) als Nationalsozialisten zu den Entscheidungen zu stehen. Auch nach außen hin verpflichte dieses Ehrenamt zu Kameradschaft und gutem Beispiel, als dessen Schönstes und immer der Führer voranstehe.

In der „Kronacher Rundschau“ vom 8. Januar 1937 heißt es unter „die Kreisfilmstelle hält wertvolle Ausschnitte nationalsozialistischer Tatkraft im Bilde fest“: „So ist es ein besonders anerkennenswertes Verdienst der Kreisfilmstelle Kronach und des „Pg. (Parteigenosse) Neukam, all das im Bild festzuhalten, was seit den Jahren der Machtergreifung in Stadt und Landkreis geschafft und geleistet wurde. In ganz hervorragenden unschätzbaren Filmstreifen hat Pg. Neukam all die Geschehnisse aufgenommen, sie dadurch uns und späteren Geschlechtern zu bewahren.“

Weiter heißt es hier. „Unvergesslich wird immer die erste Kreistagung in Kronach sein, die Pg. Neukam in ganz packenden Bildern in einem weiteren Film aufgenommen hat. Wieder marschieren die Kolonnen zum Marktplatz, endlos die Reihen, die sich um den alten Marktplatz gruppieren, die atemlos dem Gauleiter Pg. Wächter lauschen. Wohl die schönste Kundgebung, die Kronach je erlebt, hier wird sie wieder lebendig und wahr.“ „Volkstum und Heimat“ laute ein weiterer Film, der Pg Neukam besonders gelegen habe.

Ob Gottfried Neukam vor seinem Eintritt in die NSDAP 1933 dem völkischen Gedankengut anhing ist nicht bekannt, heißt es in der Schrift „Volk Heimat Dorf“ über Ideologie und Wirklichkeit im ländlichen Bayern der 1930er und 1940er Jahre“ vom Imhof Verlag.

Immer wieder wird betont, dass Gottfried Neukam sich als Künstler einen großen Namen machte. Dies zeigte sich gerade in den Jahren des 3. Reichs. Seit 1919 fanden seine Werke Aufnahme in verschiedenen Ausstellungen“, heißt es in einer Mappe mit zehn seiner Holzstiche. „Im Haus der Kunst in München war er zwischen 1939 und 1954 vertreten.“ Kommentiert wird dies mit den Worten: „eine Auszeichnung, die nicht jedem Künstler zuteil wird.“ Einmal war dies Kontrastpunkt zur Ausstellung „entarteter Kunst“. Der Namensgeber der Kronacher Mittelschule wurde als Gegenpol zu den „entarteten Künstlern“ gewürdigt. Neukam schuf beispielsweise 1938/39 eine Führerbüste in Bronze für das Bezirkskrankenhaus, mehrere Wanderpreise für die Gauleitung in Bayreuth 1940 und 1941“ ist dokumentiert. Dazu Beteiligungen an großen Ausstellungen im „Haus der Deutschen Kunst“ in München 1939, 1940, 1941 und 1944. Dokumentiert ist Neukams Beteiligung am Reichsparteitag 1934 in Nürnberg.

In Kronach wurde im Beisein Adolf Hitlers am 28. Juli 1925 die erste Nationalsozialistische Landtagsfraktion gegründet. Schon 1927 gestaltete Gottfried Neukam (Quelle: www.fr.de) eine Gedenktafel dazu.

Wieder einmal gärt in der Lucas-Cranach-Stadt die Frage, ob eine wichtige Schule so einen Namen als Vorbild tragen soll. Die Wogen schlagen hoch. Darunter leiden vor allem die Schulgemeinschaft, die überhaupt nichts für alles kann. Es wäre ein Leichtes, mit einer Namensänderung endgültig Frieden einkehren zu lassen. Auch für Gottfried Neukam, der ein Mensch seiner Zeit war und seine Entscheidungen traf, um mit den Umständen leben zu können. Die Entscheider haben eine große Chance, hier für alle Zeiten Frieden einkehren zu lassen oder an diesem „Vorbild“ für den Nachwuchs weiterhin festzuhalten.

Rainer Glissnik